GSK - Russlandpartner
Beratung für interkulturelle Kommunikation und internationale Beziehungen.

 
 

Aufbau und Betreuung einer privaten Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaft mit Einbindung eines Jugendhofes.

Vorgeschichte

Angesicht der desolaten Situation in der Landwirtschaft in der Region Kaliningrad und zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung ist der Aufbau einer privaten Landwirtschaft dringend erforderlich. Diese Erkenntnis wuchs bei Mitgliedern des Fördervereins für Jugendbildung und Wirtschaftsbeziehungen, Norddeutschland-Kaliningrad e.V., seit sie im Jahre 1991 mit ihrer Arbeit im Kaliningrader Gebiet begannen. Es war vor allem die große Not in einem Kinderheim (120 Kinder von 3-18 Jahren) in Selenogradsk (ehm.Cranz) in Bezug auf die Ernährung und die Situation von Jugendlichen, die das Heim aus Altersgründen verlassen müssen und dann ohne Familie keine Chance haben in den Arbeits- und Lebensprozess eingegliedert zu werden. Dies veranlasste uns nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. So suchten wir im Kaliningrader Gebiet bäuerliche Betriebe, die sich in der Lage sahen Jugendliche aufzunehmen um ihnen durch die Arbeit in der Landwirtschaft eine berufliche Perspektive zu geben. 1993 fanden wir einen Betrieb, der aber nur allein durch die Größe des Gebäudes für diese Aufgabe geeignet schien. Der landwirtschaftliche Betrieb war noch nicht entwickelt, denn erst seit 1992 stand im Kaliningrader Gebiet Land  für freie Farmer zur Verfügung. Das Haus war eigentlich unbewohnbar.

Um nicht einen Bauern allein zu unterstützen, dies hätte ihn selber in große Schwierigkeiten gebracht, taten sich 5 „Neu-Bauern“ (heute sind es noch 4 Betriebe)  zu einer Bauernassoziation zusammen. Die sich auf dem Land niedergelassenen Stadtbürger besaßen nichts als die ersten 40 ha Land und erbärmliche Wohnverhältnisse, zum Teil leben sie bis heute noch ohne fließendes Wasser.

Von 1993 bis 1996 wurde mit unserer Hilfe in kleinen Schritten eine Erzeuger- Verbrauchergemeinschaft gemeinsam angedacht und geplant und um das nackte Überleben gekämpft.

Die ersten Kartoffeln konnten - durch unsere Saatguthilfe im Ma - im Herbst 1993 geerntet und an das Kinderheim sowie an Lehrer und Schüler einer von uns betreuten Schule in Kaliningrad geliefert werden.

In der Assoziation leben heute 35 Personen.

Für die Koordinierung und Betreuung unserer Projekte betreibt der Förderverein seit August 1992 in der Stadt Kaliningrad ein „Hanse-Büro“. Dort arbeitet eine Deutsch sprechende Russin, die uns auch als Dolmetscherin zur Verfügung steht.

Beispiele der Unterstützungsmaßnahmen  in der Landwirtschaft seit 1993

  1. I. Fundierte landwirtschaftliche Beratung

3- 4 mal im Jahr werden die Mitglieder der Assoziation persönlich besucht und in Einzelgesprächen ihre besonderen Probleme erörtert. In einer Versammlung werden dann die allgemeinen Fragen diskutiert. Die Bedienung und Wartung der aus Deutschland gelieferten Landtechnik, wird vor Ort  erklärt. So z. B. der Einsatz eines Striegels auf dem Weizenfeld  oder die Anwendung einer eines Rübenackers. Ebenso wurden den Landwirten und ihren Söhnen sowie den Jugendlichen aus dem Kinderheim  praktisch vermittelt, wie eine Drillmaschine und ein Düngerstreuer optimal eingesetzt werden können.

  1. II. Unterstützung zur Verbesserung der Produktionsbedingungen, Errichtung von Rundholz-Stallungen, für Schweine- Hühnermast und Milchviehhaltung, Bienenhäuser.

Hier lag unsere Aufgabe in erster Linie bei der baulichen Planung  und der Hilfestellung bei der Finanzierung. Aus Deutschland brachten wir Baupläne für eine einfach konstruierte Rundholzhalle, die in Holzverschalung, wie auch mit Steinwänden errichtet wurde.  3 Hallen konnte fertiggestellt werden.

  1. III. Lieferung von landwirtschaftlichen Maschinen, Finanzierung von Saatgut und Dünger

Gebraucht aber gut erhaltene Maschinen und Ersatzteile wurden in Schleswig-Holstein gesammelt und als LKW-Ladung über Land, durch uns begleitet, zu den Landwirten transportiert. Die Landwirte sind gefordert sich über den Standort, die Wartung und den Einsatzplan der Maschinen zu einigen, was auch immer wieder unserer Hilfe bedarf.

Saatgut und Dünger mussten wir auch noch in diesem Frühjahr finanzieren, (es wird dort gekauft) da die Ernte im vergangenen Jahr so schlecht war, dass die verabredete Rücklage nicht erfolgen konnte. Welche Geldsummen jeder einzelne erhielt, hing von der geplanten Anbaufläche ab, die uns die Landwirte vorher mitteilten. Von unserem Fachmann wurde die benötigte Geldmenge für Saatgut, Dünger und Diesel dann berechnet. Die Farmer belegen ihre Ausgaben mit Quittungen. Die Mitarbeiterin im Hanse-Büro überwacht  und koordiniert diese Zuschüsse ebenso wie die von uns gewährten Kredite, die immer wieder in den Fond zurückfließen und durch gemeinsame Entscheidung von Bauern und Fördervereinsvorstand, wieder vergeben werden. Auch persönliche Kredite erleichtern den Bauern den Aufbau ihres Betriebes.

  1. IV. Beratung bei der Direktvermarktung und Aufzeigen von Wegen der Vermarktung in Kaliningrad

Durch unsere guten, auch persönlichen Kontakte in der Stadt Kaliningrad, konnten wir für die Landwirte erste Beziehungen zur Vermarktung ihrer Produkte herstellen. Heute gibt es schon einen sicheren Abnehmerkreis für Produkte wie Milch, Sahne, Quark, Fleisch. Auch bei der Vermarktung von 3 Tonnen Kartoffeln konnten wir einem Bauern und den Lehrern „unserer“ Schule im Herbst 1998 helfen. Da die Lehrer einen sehr schlechten und oft mit 3 Monaten Verspätung ihren Lohn bekommen, bezahlten sie die Hälfte des Marktpreises und wir den Rest. So konnte der Bauer alle Kartoffeln mit einer Fahrt in die Stadt (Einsparung von Diesel) verkaufen und die Lehrer hatten ihren Wintervorrat günstig erworben. Auch das Kinderheim wird durch Subventionen von uns mit Lebensmitteln von den Landwirten versorgt, da der Direktor keine Barmittel zur Verfügung hat. Die Bauern geben landwirtschaftliche Produkte zu etwas ermäßigten Preisen an das Kinderheim, da sie von uns eine Unterstützung erhalten haben.

  1. V. Lieferung von Transportfahrzeugen für die Direktvermarktung

Die von uns betreuten Landwirte leben 150 km von der Stadt entfernt und benötigen für den Transport  Fahrzeuge. Eine schwierige Aufgabe, da die uns fehlenden Geldmittel  und die Zollbestimmungen im Kaliningrader Gebiet uns ständig Hürden in den Weg stellen. Da nicht jeder Bauer bis heute ein eigenes Transportfahrzeug hat, sind auch hier Absprachen zwischen den Mitgliedern der Assoziation notwendig.

  1. VI. Fortbildungs- und Informationsbesuche in Deutschland sowie Praktika in landwirtschaftlichen Betrieben für Mitglieder der Assoziation, ebenso Fortbildung im Kaliningrader Gebiet

Dies Besuche in Deutschland  halten wir für besonders wichtig, um Perspektiven und Möglichkeiten für die Zukunft aufzuzeigen, aber auch die Wissensvermittlung z.B. in der Milchverarbeitung oder Futterherstellung und effektiven Fütterung in der Schweinemast oder Bodenhaltung bei der Hähnchenmast, ist für die Bauern von existentieller Bedeutung.

Möglichkeiten der Bildungsmaßnahmen vor Ort werden von uns ebenso  unterstützt und finanziert.

  1. VII. Einrichtung eines Jugendhofes  als Arbeit- Lehr- und Lebensstätte

Jugendliche, die das von uns betreute Kinderheim verlassen müssen und durch die Ferienaufenthalte (seit 1993 jeden Sommer für 3 Monate 8-10 Kinder) den Wunsch entwickelt haben in der Landwirtschaft zu arbeiten, oder keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, finden in dem 100 Jahre alten Forsthaus bei einem der „Neu-Bauern“ ein neues Zuhause. Mit erheblichen Geldmitteln und Arbeitseinsätzen von jungen und älteren Mitgliedern des Vereins sowie Jugendgruppen, wurde das Haus bewohnbar gemacht. In letzter Zeit haben wir zu unserer großen Freude, durch unsere langjährigen Kontakte, auch russische Sponsoren für den Jugendhof gefunden.

  1. h)Die Familie übernimmt trotz aller Mühen beim Aufbau des eigenen Betriebes mit großem sozialen Engagement Verantwortung für die Jugendlichen  und die Kinder, die ihre Sommerferien auf dem Land verbringen können.

Grundgedanken unserer Arbeit

Unserer Arbeit liegt das Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu Grunde. So wurde z.B. ein Finanz-Fond (siehe oben) angelegt, in den die Mitglieder der Assoziation je nach Möglichkeiten, von uns gezahlte „Kredite“ (alles zinslos) wieder einzahlen und dadurch anderen Mitgliedern zur Verfügung stellen. Dies wird eigenständig in Versammlungen entschieden. Wie schon erwähnt helfen wir auch  mit persönlichen Krediten. Auch hierbei stellt sich uns immer wieder die Frage wie weit muss da unsere Kontrolle bei der Verwendung  gehen?

Die Wahrung der Identität und der Menschenwürde, der Respekt vor einer eigenständigen Persönlichkeit ist für uns ein wesentlicher Anspruch an uns selbst.

Den, durch Not in unsere Abhängigkeit geratenen, Bürgern eines anderen Landes, - mit einem anderen gesellschaftlichen wie kulturellen Hintergrund- nicht unsere eigenen Lebensmuster aufzuzwingen und nicht als die belehrenden „Alleswisser“ aufzutreten, darum bemühen wir uns. Wir versuchen, uns in die schwierigen Lebensumstände hineinzuversetzen, um situationsgerecht und menschenwürdig handeln zu können.

Wir stehen immer in der Diskussion, wieviel Erfahrungen und Misserfolge können wir zulassen. Wenn sich Menschen  in der Situation des gebenden Helfers befinden verknüpfen sie naturgemäß damit eine eigene Vorstellung, wie die Hilfe aussehen soll und es liegt der Gedanke sehr nahe, auch Bedingungen an die Hilfeleistungen knüpfen zu können, zu müssen. Aber wo ist die Grenze zur Einmischung in die persönliche Sphäre des Menschen? Wieweit stehen wir in der Verantwortung unseren Spendern gegenüber? Sollen wir den Anspruch haben Strukturen aufzubauen, die unsere Muster enthalten, uns bekannt und vertraut sind oder sollen wir den von uns Betreuten helfen eigene Modelle zu finden, die sich auf deren Erfahrungen, Wurzeln und Werten aufbauen lassen?  Dies wird schwieriger sein, da viel für uns fremdes , unverständliches nicht nachvollziehbares Geschehen  akzeptiert werden muss.

Wir haben uns für unsere Arbeit das Symbol der Brücke gewählt. Um eine „Brücke“ zu den Menschen in Ost-Europa bauen zu können, eine Brücke der Verständigung, müssen wir viel voneinander lernen, damit die Brücke ein offener Zugang bleibt. Vor der Verständigung liegt die Bereitschaft zum Verstehen und zum Verständnis.

Wir , das ist eine Initiative von  Bürgern aus Lübeck und Norddeutschland, haben uns dieser Herausforderung seit 1990 gestellt  und wir werden noch weiter an der Brücke zur Völkerverständigung bauen.

 

Erzeuger - Verbraucher

Moderner, offener Laufstall in Kaliningrad

Die Meierei von Roman Berenidse

Erfolgreiche Kartoffelernte